Fragile Heart

Bonus Kapitel


Rosie
„Komm schon, du Schnecke“, rief Adam vor mir und drehte sich zu mir um. Er lief rückwärts durch den Sand, was ihm viel zu mühelos zu gelingen schien. Ich hingegen stapfte über den Privatstrand vor Adams Strandhaus und kam nicht umhin, zwischen Wut und Bewunderung für seine Leichtigkeit zu schwanken.
„Ich weiß ja nicht, ob es dir schon aufgefallen ist, aber … ich bin keine Marathonläuferin“, gab ich schwer atmend zurück.
Zwar waren seine Augen hinter den dunklen Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen, aber ich konnte förmlich spüren, dass er sie verdrehte. „Los jetzt, Rosie. Ein romantischer Spaziergang. Nur du und ich, Meeresrauschen und der Sonnenuntergang. Den wir verpassen, wenn wir jetzt hier weiter herumdümpeln.“
Jetzt war ich diejenige, die versucht war, mit den Augen zu rollen. Aber ich riss mich zusammen, stapfte mit den für den Sand äußerst ungeeigneten Sandalen weiter in Richtung Wasser, und beeilte mich, ihm hinterherzukommen, wobei ich mir einige verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht und über die Schulter strich. In den letzten zwei Jahren hatte ich meine Haare wieder wachsen lassen, inzwischen reichten sie fast wieder bis zur Brust. Wie damals, als ich Adam kennengelernt hatte. Wobei sie jetzt nicht mehr violett waren – beim letzten Friseurbesuch hatte ich mich wieder für hellblaue Strähnchen entschieden.
Adam sah mich mit schräggelegtem Kopf an. „Ich nehme dich gleich Huckepack.“
Grinsend schüttelte ich den Kopf. Dann machte ich einen Satz vor, holte zu ihm auf und boxte ihn leicht gegen die Schulter. Er fing meine Hand danach, verschränkte seine Finger mit meinen und hob sie an seinen Mund. Kurz küsste er meinen Handrücken und ein heißes Kribbeln durchfuhr mich und jagte meinen Arm hinauf. Obwohl wir jetzt seit zwei Jahren zusammen waren, war das immer noch so. Alles mit Adam prickelte, knisterte und ließ meine Knie weich anfühlen. Immer, wenn ich ihn ansah, dehnte mein Herz sich aus, immer, wenn er mich berührte, fühlte es sich an, als wäre alles genau so, wie es sein sollte. Ich liebte ihn, wirklich. Auch wenn er mich am späten Abend über den Strand jagte wie ein Fitness-Coach.
Ich lehnte mich gegen ihn, während wir weiterliefen, und stolperte prompt über einen Stein. Adam hielt mich fest, als ich kurz strauchelte. Ich senkte den Blick – und stutzte. Dann beugte ich mich runter und hob die Flasche auf, über die ich gestolpert war. Ich stieß einen überraschten Laut aus.
„Oh, wie aufregend, guck mal!“ Ich hielt Adam die Flasche vor die Nase. „Ich habe noch nie eine Flaschenpost gefunden.“
Adam beäugte sie mit weitaus weniger Freude als ich. „Leg sie lieber zurück. Du weißt nicht, wer daraus schon getrunken hat.“
Ich schnaubte. „Sei nicht so ein Spielverderber.“
Vorsichtig löste ich den Korken aus der Flasche. Das Glas fühlte sich kühl unter meinen Fingern an. Ich reichte Adam den Korken, neigte den Flaschenkopf und angelte das gelb angelaufene Papier mit zwei Fingern heraus. Als ich es geschafft hatte, gab ich Adam auch die Flasche und faltete den Brief mit klopfendem Herzen auseinander.

Rosie,

da es bei uns mit geschriebenen Worten angefangen hat, dachte ich mir, es wäre …

Ich hörte auf zu lesen und sah mit großen Augen zu Adam hoch. Ein kleines Lächeln lag auf seinen Lippen, das seine Grübchen preisgab.
„Lies weiter“, bat er mich leise.
Mein Blick blieb noch einen Wimpernschlag lang auf ihm haften, bis ich mich wieder dem Brief zuwandte und von vorne anfing.

Rosie,

da es bei uns mit geschriebenen Worten angefangen hat, dachte ich mir, es wäre nur passend, wenn wir die Sache mit geschriebenen Worten beenden. Okay, das klang jetzt ganz falsch. Ich bin nicht gut mit Worten – zumindest fällt es mir schwer, die richtigen Worte für dich zu finden und für das, was ich für dich empfinde. Aber ich werde es versuchen:
Ich liebe dich, Rosemary Hart.
Du bist der liebenswerteste Mensch, den ich kenne. Deine Art, niemals aufzugeben, in allem das Positive zu sehen, und immer einen Schritt vorwärts zu gehen, ganz gleich, wie sehr es wehtut, hat mich dazu gebracht, so heftig zu fallen wie nie zuvor.
Als wir uns kennengelernt haben, war ich an einem düsteren Ort gefangen, an dem es nichts als Schmerz gab. Dann habe ich dich getroffen, und du hast mir dabei geholfen, zu sehen, dass das Leben auch anders sein kann. Dass ich anders sein kann.
Ich bin so dankbar dafür, dich in meinem Leben zu haben. Und ich wünsche mir, dass das ewig so bleibt. Ich möchte bei dir sein, fortfahren, dich kennenzulernen, jeden Tag, jede Sekunde unseres Lebens. Ich möchte für dich da sein, so wie du für mich da gewesen bist, ich möchte dir eine Stütze sein, wenn du über dich hinauswächst – so wie du es seit Jahren tust –, und wenn du das auch willst, möchte ich, dass wir das Ganze dingfest machen.
Was sagst du?

Immer Dein
Adam

Mit tränenverschleiertem Blick ließ ich den Brief sinken … und sah mich Adam gegenüber, der vor mir auf einem Bein im Sand kniete, ein schwarzes Schmuckkästchen in der Hand. Darin funkelte ein Ring mit blassblauem ovalen Stein im Zentrum und kleineren Diamanten drum herum. Mein Atem stockte, das Herz schlug so heftig in meiner Brust, dass ich fürchtete, jeden Moment umzukippen.
„Ich liebe dich, Rosie. Sehr“, sagte Adam mit rauer Stimme und einem Funkeln in den goldenen Augen. „Du würdest mich zum glücklichsten Mann der Welt machen, wenn du mich heiraten würdest. Was sagst du?“
Bloß ein einziger Gedanke schoss mir durch den Kopf, und ich bekam ihn nicht mal richtig zu fassen, als mein Körper sich schon verselbstständigte und ich mich auf ihn stürzte. Gemeinsam gingen wir zu Boden, Adam stieß einen dumpfen Laut der Überraschung aus, als ich die Arme um seinen Hals schlang. Zusammen lagen wir im Sand.
„Natürlich möchte ich dich heiraten“, schluchzte ich an seinem Hals.
„Das ist großartig“, gab er mit dunkler Stimme zurück. „Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass der Ring nicht aus der Schatulle gefallen ist.“
Ich erstarrte. Dann löste ich mich mit panischem Blick von ihm und zusammen starrten wir auf das Kästchen, das er immer noch in der Hand hielt. Gleichzeitig stießen wir einen erleichterten Atemzug aus. Im nächsten Moment hielt ich Adam meine zitternde Hand hin. Er nahm sie in seine, und auch sie bebte, als er den Ring aus der Schatulle nahm und ihn mir an den Finger steckte. Ungläubig sah ich auf den blauen Stein, hielt ihn ins Licht der untergehenden Sonne und betrachtete fasziniert, wie er funkelte.
„Meerjungfraublau“, murmelte Adam, der meine Hand immer noch umfasst hielt.
Wieder traten Tränen in meine Augen, als ich in sein Gesicht sah. „Er ist perfekt. Ich liebe ihn. Und dich.“
Vorsichtig umfasste ich seine Wangen. Sanft ließ ich die Finger an seinem Kiefer entlang gleiten, beugte mich vor und küsste ihn. Etwas, das vor ein paar Jahren noch nicht denkbar gewesen wäre. Aber Adam und ich waren so weit gekommen. Und jetzt … jetzt lag ein neuer Abschnitt vor uns, den wir wieder meistern würden.
Gemeinsam.